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Honig: Die erste Wohltat

Ein Interview mit mir, das bereits 2011 im BioMagazin erschienen ist:

Das Interview zum runterladen ...

Die Biene ist seit Urzeiten Begleiterin des Menschen. Ihr Fleiß ist sprichwörtlich, ihre biologische Leistungsfähigkeit atemberaubend, und ihre kommunikativen und sozialen Fähigkeiten sind bis heute Anlass unablässigen Staunens.

Bienen sorgen für die Bestäubung, sie produzieren Honig in unendlich köstlichen Varianten und werden über Produkte wie Propolis, Gelée Royale, Blütenpollen, Bienenwachs und Bienengift  zur Prävention und Heilung von Krankheiten eingesetzt. „Honig ist die erste Wohltat, die Gott den Menschen erwiesen hat“ zitiert Roland Berger den Koran.

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Berger ist Imkermeister, Gründer von APIS-Z und hat als promovierter Biologe viele Jahre an der Universität für Bodenkultur und an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften geforscht.

Herr Berger Wie kommt es, dass Sie der wissenschaftlichen Forschung den Rücken gekehrt haben um Bio-Imker zu werden?

Biologie studiert habe ich aus reiner Faszination. Ich war beseelt von der Idee, die Geheimnisse des Lebens zu verstehen. Dann kam der Forscheralltag und sehr rasch war da nicht mehr viel Raum für diesen Seelenflug. Tagein, tagaus vor dem PC zu sitzen und zwischendurch im Labor mit Chemikalien zu hantieren war nicht das, was mich ursprünglich angetrieben hatte. Die Sinnfrage wurde für mich immer brennender, aber ich bin ihr konsequent ausgewichen. Vor acht Jahren, nach einem Unfall, kam die Wende: Ich hab der klassischen Wissenschaft den Rücken gekehrt, bin „Bienenvater“ geworden und habe das Unternehmen Apis-Z gegründet. Das Bienenvolk ist ein grenzenlos faszinierender Kosmos: je mehr ich in seine Geheimnisse eintauche umso mehr nimmt er mich gefangen. Ich bin heute fest überzeugt davon, dass die Welt der Bienen für uns moderne Menschen neu zu entdecken ist. Naturreine hochwertige Bienenprodukte haben als Lebensmittel, als Genussmittel und als Heilmittel eine große Zukunft. Da fließen heute meine ganze Kraft und mein Herzblut hinein.

Mit APIS-Z möchte ich Vermittler sein – die Schätze aus dem Bienenvolk heben und zur Verfügung stellen. Ganz besonders wichtig ist es mir, gemeinsam mit Ärzten und Ärztinnen das Wissen um die Heilwirkung der Bienenprodukte zu fördern. Neben hochwertigen Honigen, Propolis und anderen Bienenprodukten in Demeter-Qualität sollen auch Therapieformen wie Honigmassage und Bienenluft-Inhalation angeboten werden.

Herr Dr. Berger in letzter Zeit wird immer eindringlicher davor gewarnt, dass unsere heimischen Bienenvölker kurz vor dem Aussterben sind. Wie dramatisch ist die Situation tatsächlich?

Die Lage ist ernst, aber zumindest bei uns noch nicht hoffnungslos. Von dem großen Bienensterben sind vor allem Länder betroffen, in denen eine „industrielle“ Form der Bienenhaltung vorherrscht. Einzelne Betriebe „betreuen“ dort jeweils tausende Völker. Der massive Einsatz von Chemie und Antibiotika bei den Bienen und die zunehmend chemisierte Landwirtschaft setzen den Bienen und deren Widerstandskraft derart zu, dass immer wieder Völker in Massen zusammen brechen. Verglichen etwa mit den USA oder China wird bei uns mit den Bienen geradezu liebevoll umgegangen. Nur ein Prozent aller Imker in Österreich sind Erwerbsimker. Der Rest hat durchschnittlich gerade mal 13 Bienenstöcke. Da ist noch viel gute Betreuung möglich. Doch zweifellos wird es auch bei uns immer schwieriger, die Bienen gesund zu erhalten, besonders dann, wenn die Betriebsführung nicht bienenfreundlich ist. Immer mehr Imker erkennen, dass man mit den Bienen nicht ungestraft gegen die Natur arbeiten kann. Die Zahl der Bio-Imker nimmt bei uns daher stetig zu. Bei Apis-Z war es mir von Anfang an wichtig, mich bei allen imkerlichen Maßnahmen an den natürlichen Bedürfnissen des Bienenstocks zu orientieren. Nicht die Optimierung des Ertrags steht bei der Arbeit mit den Bienen im Vordergrund, sondern das Bemühen, den Bedürfnissen und dem Wesen der Bienen gerecht zu werden. Das ist nachhaltig und macht wesentlich mehr Freude bei der Arbeit. Mit dieser Philosophie hat sich APIS-Z auch als Demeter-Partner qualifiziert.

Wie würde Ihrer Meinung nach eine Welt ohne Bienen aussehen?

Soweit wird es hoffentlich nicht kommen. Die Konsequenzen wären so tiefgreifend katastrophal, dass ich mir das nicht ausmalen möchte. Wenn wir Menschen weiter so rücksichtslos mit der Umwelt umgehen, ist es allerdings nur eine Frage der Zeit, bis es so weit ist. Ich denke da zum Beispiel an dieses extrem giftige Beizmittel für Mais, mit dem Wirkstoff Clothianidin, ein Nervengift, das ca. 7.000 mal giftiger als DDT ist und in Deutschland zu massiven Bienenschäden geführt hat. Im Jahr 2008 sind dort 12.000 Völker nachweislich daran zugrunde gegangen. Mittlerweile ist dieses Mittel in Deutschland und Frankreich verboten. Dass es in Österreich immer noch zugelassen ist, ist mir unbegreiflich. Wir haben heute schon Gebiete auf der Erde, wo wegen der Vergiftung der Natur keine Bienen mehr leben können. In China müssen in manchen Regionen die Blüten der Obstbäume bereits durch Menschen bestäubt werden. Dabei wird der Blütenstaub von Hand mit dem Pinsel auf jede einzelne Blüte aufgetragen.

Volkswirtschaftlich betrachtet ist die Honigbiene, nach Rind und Schwein, das drittwichtigste Haustier auf der Welt. Die Honigproduktion spielt dabei nur eine relativ kleine Rolle. Die überragende Bedeutung beruht auf der Bestäubungsleistung. Ein Großteil aller Kulturpflanzen wird durch Bienen bestäubt, Obst zu 90 Prozent. Bienen sind daher für unsere Ernährung unverzichtbar! Albert Einstein hat es sehr drastisch formuliert: „Erst stirbt die Biene, dann der Mensch! Wenn die Biene von der Erde verschwindet, dann hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, keine Menschen mehr."

Sie sind Gründungs- und Vorstandsmitglied der österreichischen Gesellschaft für Apitherapie, inwieweit findet  die Apitherapie in der klassischen Schulmedizin Anklang?

Apitherapie (von lateinisch Apis = Biene), also das Heilen mit Bienenprodukten, gilt gemeinsam mit der Heilkräutertherapie als die älteste Medizin. Archäologische und historische Belege zeigen, dass der Mensch seit über 6.000 Jahren Bienenprodukte nicht nur als Nahrungsmittel, sondern auch als Heilmittel verwendet. Besonders Honig zur Wundheilung, Propolis als natürliches Antibiotikum, aber auch Bienenstiche als älteste Form der "Bio-Akupunktur" oder als „Injektionskuren" sind uralte apitherapeutische Anwendungen. Die heilende Wirkung von Honig & Co. wurde auf der ganzen Welt genutzt – bei allen Zivilisationen, die Bienen hatten (wild oder domestiziert).

Heute wird Apitherapie vor allem überall dort angewandt, wo der Siegeszug der modernen Pharmazie noch nicht so viel altes Wissen um traditionelle Heilmethoden verdrängt hat. Etwa in den Staaten des ehemaligen Ostblocks, im Fernen Osten und in Südamerika gibt es eigene Kliniken, die auf Apitherapie spezialisiert sind. In fast allen medizinischen Disziplinen kommen Bienenprodukte komplementär zur Vorbeugung oder als Heilmittel zum Einsatz.

Die moderne Schulmedizin ist gerade dabei, die Apitherapie für sich wieder zu entdecken: Dabei geht es darum, altes Erfahrungswissen durch klinische Studien zu untermauern, denn erst dann „gilt“ es. Unzählige Studien, die heute in Laboratorien und Kliniken in der ganzen Welt durchgeführt werden, haben die medizinische Wirkung von Bienenprodukten zum Inhalt.

In den letzten Jahren werden immer mehr Bakterien resistent gegenüber chemischen Antibiotika. Auch in hochmodernen Krankenhäusern sterben deshalb immer wieder Menschen. Bei Bienenprodukten kommt es zu keinen Resistenzen, sie wirken gegen Bakterien, Pilze und Viren durch eine „intelligente“ Strategie, die auf mehreren Prinzipen beruht: Erstens haben sie als Naturprodukte eine stets leicht variierende Zusammensetzung, wodurch es zu keiner Ausbildung von Resistenzen kommen kann. Dann wirken gleichzeitig mehrere antibakterielle Substanzen mit sehr unterschiedlichen Mechanismen. Und schließlich unterstützen sie direkt und indirekt das Immunsystems wie alle anderen inneren Organe und Systeme. Die natürliche „Intelligenz“ der Bienenprodukte scheint hier in vielen Fällen manchen Pharmazeutika überlegen zu sein. Honig zur Wundbehandlung etwa wird heute auch in Österreich in vielen Krankenhäusern bereits wieder als Mittel der Wahl eingesetzt. Ich bin sicher, dass die Apitherapie, als komplementärmedizinische Methode in Zukunft auch bei uns eine Renaissance erleben wird. Wegen ihrer schonenden Wirksamkeit, aber besonders auch in wirtschaftlich angespannten Zeiten, als kostengünstige Alternative. Mir ist wichtig zu betonen, dass im Krankheitsfall die Diagnose und die Therapie natürlich einem Arzt oder einer Ärztin vorbehalten sind. Die Österreichische Gesellschaft für Apitherapie setzt sich dafür ein, dass auch bei uns mehr und mehr Ärzte diesen Schatz aus der Apotheke der Natur für ihre Arbeit wieder entdecken.

Dr. Philipp Terc, (1844 – 1917) gilt als Vater der modernen Apitherapie. Seit seinem Tod vor knapp 100 Jahren hat sich die Welt drastisch verändert. Bezogen auf Imkerei wie sehen diese Veränderungen aus?

Aus heutiger Sicht muss Imkern vor 100 Jahren das Paradies gewesen sein: Eine hoch angesehene und zugleich wunderschöne und sinnliche Tätigkeit in einer damals noch vollkommen reinen Natur, die den Bienen ein Übermaß an Blüten bot. All die Probleme, die uns heute bei den Bienen so große Sorgen machen gab es noch nicht: Keine Varroa-Milbe, die ständig bekämpft werden muss, damit die Bienen überleben können, keine Spritzmittel und gentechnisch veränderten Pflanzen auf den Feldern, und überall noch blühende Wiesen, Brachen, Hecken und Raine, die den Bienen überreichlich Nahrung boten. Jeder Imker, egal, wo er seine Bienen hielt und wie er arbeitete, war der reinste Bio-Imker ... Nur wusste damals noch keiner, was das ist.

 

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